Was ist Nei Gong, was ist Qi Gong?
Nei Gong
Wörtlich übersetzt bedeutet „Nei Gong“ etwa: 'innere Übung' oder auch: 'Bearbeitung des Inneren'.
Es handelt sich um eine Methode zur Selbstkultivierung, d.h. um das Erlernen von Techniken zur Heranbildung der wahren inneren Gestalt des Menschen. Atem, Körperbewegung und Imagination werden gezielt aufeinander abgestimmt und dadurch verschiedene innerkörperlich-spirituelle Prozesse in Gang gesetzt bzw. gefördert.
Was aber ist dieses 'Innere' (Nei), das den alten überlieferten Übungen des Nei Gong den Namen gab? Es ist – in aller Kürze gesagt – die Dreiheit der im Menschen verborgenen Schätze: Jing, Qi und Shen (Essenz, Energieströme und Lebensgeister), von denen in den daoistischen Schriften so oft die Rede ist (Sollten Sie sich in der Nomenklatur der Dao-Medizin noch nicht so gut auskennen, lesen Sie dazu bitte auf dieser Site den Artikel Die drei im Menschen verborgenen Schätze).
Der Ausbildungsgang vollzieht sich über die folgenden vier Stufen, welche in der Literatur manchmal analog zu chemischen (bzw. proto-chemischen) Verfahren beschrieben werden. Diese 'Stufen der inneren Arbeit' bezeichnen also zum Einen verschiedene innere Vorgänge und repräsentieren zum Anderen ein bestimmtes Trainingslevel, welches der Übende jeweils erreicht hat:
1. Anreicherung der körpereigenen Essenz durch Bewegung (动以炼精; Ähnliches geschieht auch bei den Übungen des Tai-Ji-Quan, des Kong-Fu, aber auch bei vielen uns im Westen bekannten Sportarten.)
2. Raffinierung des Qi, d.h. die Filterung und Trennung von Qi aus der körpereigenen Essenz (炼精化气; Durch die Verwandlung von Essenz in Qi wird die körperinterne Zirkulation des Qi verstärkt.)
3. Transformation des gewöhnlichen, im Körper zirkulierenden Qi in höherwertige Energie (炼气化神; Dadurch wird zusätzliche Energie direkt auf Shen-Ebene verfügbar.)
4. Übertritt in die geistige Befreiung von Zeit und Raum (炼神还虚; in poetischer Formulierung als „Rückkehr in die Fülle der Leere“ oder „Einkehr in die Sphäre des Dao“)
Das vierte und höchste erreichbare Level der Selbstkultivierung ist „der wahre Mensch“, wie es in den klassischen Schriften formuliert wird: Das große Ziel beständig vor Augen und im Herzen widmeten die Daoisten ihre ganze Kraft der seelisch-körperlichen Steigerung, um sich dem Dao stetig anzunähern. Daher wurde die Lehre des Nei Gong auch „Xiu Zhen“ (修真), d.h. 'Kultivierung der Wahrheit' genannt. Wahre Selbstkultivierung aber umfasst beides: die drei unsichtbar-energetischen Schätze im Menschen (Jing, Qi, Shen) und sein sichtbares materielles Dasein im Fleisch – Blut, Knochen, Organgewebe. Auf diese duale, spirituell-leibhaftige Anlage der Lebensgestalten verwies man im Alten China mit dem Ausdruck „Xing Ming“ (性命).
Die inneren Übungen sind als Anweisungen zu verstehen, welche den Menschen in den sogenannten vorgeburtlichen Urzustand des Lebens zurückführen können, in welchem Geist und Fleisch miteinander versöhnt waren. Ein Umkehrprozess wird dem Alltag eingeschrieben, inmitten des normalen Daseins wird das Prinzip der Gesundung eingepflanzt. Das ist allerdings nicht mithilfe einer einzigen Technik zu erreichen, sondern das Resultat vielseitiger Faktoren, und so betten sich die inneren Übungen des Nei Gong in den geordneten Gang der großen Methode des Dao ein.
Qi Gong
Erstmalig historisch belegt ist der Ausdruck „Qi-Gong“ im Buch Jin Ming Zhong Jiao Lu des Sun Xu, einem Daoisten aus der Zeit der Jin-Dynastie (265-420 n. Chr.). In diesem Buch, welches als Lehrwerk u.a. für die daoistische Schule Jingming Dao große Bedeutung erlangte, gibt es ein Kapitel mit der Überschrift „Kurze Erklärungen zum Qi-Gong“. Weite Verbreitung fand der Ausdruck zu dieser Zeit jedoch noch nicht.
Erst in der Qing-Dynastie (1644-1911 n. Chr.), beginnend mit dem Buch zur Gesundheitslehre Yuan He Pian, in welchem sich ebenfalls ein Kapitel dem Qi Gong zuwendet, wurde der Begriff langsam populärer.
Im Verlauf der letzten 200 Jahre sprachen die schriftlichen und mündlichen Überlieferungen aus dem Umkreis der Kong-Fu-Lehre dann häufiger auch vom „Qi-Gong“. Der Durchbruch für den Begriff kam aber erst mit der Veröffentlichung des Buches Therapie und Praxis mit dem Qi-Gong durch den Arzt Liu Gui Zhen in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts. In den 80er Jahren waren Qi-Gong-Übungen in China bereits allgemein in Mode und verschiedene Schulen und Lehrinstitute begannen damit, ihre eigenen Lehren anhand von Qi Gong zu vermitteln. Fortan etablierten sich z.B. Daoistisches Qi Gong, Tibetisches Qi Gong, Kong Fu Qi Gong, Gesundheitserhaltendes Qi Gong (etc.). Auch das Wort selbst wurde in China sehr populär. Und schließlich, mit Einführung der Reformen in China, verbreitete sich Qi Gong weltweit und der Begriff wurde phonetisch in die westlichen Sprachen übertragen.
Heutzutage wird das Qi-Gong-Training oft auf isolierte bzw. periphere Weise verwendet, d.h. ohne wirkliche Einbindung in eine Gesamtmethodik der Kultivierung. Um hier an unsere obigen Ausführungen zum Nei Gong anzuknüpfen, so läßt sich sagen, dass viele der auf dem Markt verbreiteten Qi-Gong-Übungen sich nur auf einem niedrigen Niveau bewegen: Sie beschränken sich auf die Raffinierung des Qi aus dem Jing, d.h. auf eine Anfängerstufe des Nei Gong (siehe oben: 2.).
Im Vergleich dazu befinden sich die noch verbreiteteren Sportarten wie Gymnastik, Schwimmen oder Joggen auf noch niedrigerem Level: Sie bleiben auf der Stufe der Anreicherung von Essenz stehen (siehe oben: 1.). Auch durch Sport kann man zwar die Durchlässigkeit der Meridiane fördern, doch die Wirksamkeit bleibt relativ gering.
Zusammengefasst können wir sagen: Sport und Qi Gong reichen von ihrem Ansatz her nicht an die altehrwürdigen, tief in der chinesischen Kultur verwurzelten Übungen des Nei Gong heran. Viele der mit dem klassischen Nei Gong assoziierten Lehren wurden traditionell nur mündlich vom Meister an den Schüler übermittelt. Wir berufen uns daher auf die Publikationen von Meister Chunjin Xiong, um Sie dem Interessierten in Form von Seminaren und Lehrbüchern darzustellen.